Medienrechtliche Anerkennung Freier Radios in Deutschland

In einigen Bundesländern gibt es Freie Radios, in anderen nicht. Wie kommt das?

Freie Radios haben einen gemeinnützigen Auftrag und sind nicht darauf ausgerichtet, Gewinn zu erzielen. Deshalb benötigen sie neben einer Sendelizenz auch eine finanzielle Förderung. Über eine Förderung entscheidet allerdings nicht der Bund, sondern die jeweilige Landesregierung. Der Rundfunkstaatsvertrag Deutschlands bietet zwar die Möglichkeit, Formen nichtkommerziellen Rundfunks zu fördern, allerdings verweist der Vertrag auf die Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer. Das heißt, jedes Bundesland kann in seinem Landesmediengesetz selbst festlegen, ob es eine gesetzliche Regelung für nichtkommerzielles Lokalradio (NKL) einführen möchte.

Nichtkommerzielles Lokalradio (NKL) in Deutschland

Acht Bundesländer verfügen über eine mediengesetzliche Regelung für nichtkommerzielles Lokalradio (NKL): Baden-Württemberg (11), Hessen (7), Mecklenburg-Vorpommern (1), Niedersachsen (13), Sachsen (3), Sachsen-Anhalt (2) und Thüringen (6). Schleswig-Holstein erhielt im Frühjahr 2015 eine mediengesetzliche Regelung für NKL, allerdings fordern die drei zukünftigen NKL-Lizenznehmer noch Nachbesserungen, um ihren Sendebetrieb aufnehmen zu können.

In vier Bundesländern verfügen Freie Radios/Community-Radio-Stationen über Sendelizenzen, obwohl es keine mediengesetzliche Regelung für NKL gibt: Bayern (2), Berlin (3), Brandenburg (1) und Hamburg (1).

In vier Bundesländern gibt es weder eine mediengesetzliche Regelung für NKL, noch verfügen Freie Radios dort über Sendelizenzen: Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland.

Rundfunkstaatsvertrag (RStV)

Im Rundfunkstaatsvertrag, § 40, Absatz 2 (Finanzierung besonderer Aufgaben) heißt es:

„Formen der nichtkommerziellen Veranstaltung von lokalem und regionalem Rundfunk und Projekte zur Förderung der Medienkompetenz können aus dem Anteil nach Satz 1 aufgrund besonderer Ermächtigung durch den Landesgesetzgeber gefördert werden.“

Medienstaatsvertrag Berlin-Brandenburg (MStV)

Die Gesetzgeber in Berlin und Brandenburg haben bisher nicht von der Möglichkeit des Rundfunkstaatsvertrags (s.o.) Gebrauch gemacht, eine Ermächtigung zur finanziellen Förderung von Formen des nichtkommerziellen Rundfunks auszusprechen.

Der Berliner Senat hatte zwar 2005 einer Änderung des Mediengesetzes in diesem Punkt zugestimmt, scheiterte jedoch am Brandenburger Landtag, der diesen Schritt damals nicht mitvollzog:

Zur Erklärung: Seit 1992 verfügen die Bundesländer Berlin und Brandenburg über ein gemeinsames Mediengesetz, welches im “Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks (Medienstaatsvertrag)” festgelegt wurde. Änderungen des Medienstaatsvertrages bedürfen immer der Zustimmung beider Landesregierungen.

Damit Freie Radios zukünftig als nichtkommerzielles Lokalradio gefördert werden können, bedarf es folgender Anpassungen:

  • MStV, § 8, Absatz 1, Punkt 7, Ergänzung: “Förderung der technischen Infrastruktur für die Rundfunkversorgung und von Projekten für neuartige Rundfunkübertragungstechniken, einschließlich der Aus- und Fortbildung, gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 des Rundfunkstaatsvertrages, und Formen der nichtkommerziellen Veranstaltung von lokalem und regionalen Rundfunk;
  • MStV, § 1 Absatz 1, Punkt 4: Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf nichtkommerzielle Programmveranstaltung.
  • MStV, Sechster Abschnitt “Besondere Nutzungsformen”: Nichtkommerzielles Lokalradio (NKL) sollte im Medienstaatsvertrag explizit aufgeführt werden. (Beispiel Sachsen Anhalt: MedienG LSA, § 22, Nicht kommerzieller lokaler Hörfunk)

88vier-Erprobung in Berlin-Brandenburg

In Berlin-Brandenburg gibt es bis jetzt keine mediengesetzliche Regelung für nichtkommerzielles Lokalradio (NKL). Allerdings besitzen Freie Radios in Berlin und Potsdam die Möglichkeit, sich um limitierte Sendelizenzen zu bewerben. Möglich macht das eine sogenannte Erprobung, die die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) seit 2010 unter dem Namen “88vier” durchführt.

“88vier” ist ein nichtkommerzieller Sendeverbund, zu empfangen in Teilen Berlins und Potsdams. Mediengesetzlich legitimiert wird die “88vier” durch:

  • MStV, § 8, Absatz 1, Punkt 10: Förderung von Projekten zur Erprobung neuer Sendeformen unter Nutzung neuer Technologien und Übertragungswege.
  • MStV, § 45, Erprobung neuer Nutzungsformen

Die “88vier”-Erprobung stellt keinen Ersatz für eine gesetzliche NKL-Regelung dar, weil:

  • NKLs auf “88vier” nur limitierten Zugang zum Rundfunk erhalten, und
  • NKLs auf “88vier” kein Anrecht auf eine Grundfinanzierung besitzen.
  • Mehr dazu unter Material: 88vier