Deutschland: Positiver Trend für Freie Radios

Frühling 2015, vier erfreuliche Nachrichten für Freie Radios in Deutschland:

  1. Sachsen ändert sein Mediengesetz, sodass nichtkommerzielle Lokalradios (NKL) zukünftig gefördert werden können.
  2. In Baden-Württemberg werden die elf NKL-Lizenzen und ihr jährlicher Etat von 1.5 Mio Euro verlängert.
  3. Schleswig-Holstein hat ein neues Mediengesetz und schreibt gerade drei NKL-Lizenzen aus.
  4. In Thüringen wird das Erfurter Radio F.R.E.I. endlich als eigenständiges lokales Bürgerradio anerkannt und mit einer Vollfrequenz bedacht.

In Deutschland gibt es keine bundesweite Regelung für nichtkommerzielles Lokalradio (NKL). Entsprechend müssen sich Freie Radios und Initiativen in jedem Bundesland um eine eigene mediengesetzliche Regelung bemühen – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Selbst die aktuellen Regelungen in Sachsen, Baden-Württemberg, Thüringen und vor allem Schleswig-Holstein beinhalten ihre Lücken und Tücken. Insgesamt aber – und das wäre die gute Nachricht für alle – ist ein positiver Trend für die Etablierung Freier Radios in Deutschland zu erkennen.

1. Sachsen: Mediengesetzänderung für Freie Radios (29.04.2015)

In Sachsen erhalten Freie Radios zukünftig auch Mittel des Rundfunkbeitrags. Dies ist der Kern einer Mediengesetzänderung, die der Sächsische Landtag am 29. April 2015 beschlossen hat. Das Sächsische Gesetz zur Durchführung des Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland soll nun ermöglichen, dass nichtkommerzielle Hörfunkveranstalter in Sachsen aus Mitteln des Rundfunkbeitrags gefördert werden. In § 1 Abs. 2 des Sächsischen Gesetzes zur Durchführung des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Dezember 1991 (SächsGVBl. S. 457), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 30. Juli 2014 (SächsGGVBl. S. 274) geändert worden ist, wird folgender Satz 4 angefügt: „Sie kann den Anteil nach § 40 Abs. 1 Satz 4 RStV für die Förderung von Formen der nichtkommerziellen Veranstaltung von lokalem und regionalem Rundfunk in Sachsen und Projekten zur Förderung der Medienkompetenz verwenden.“ (Aufgaben der SLM) Das Gesetz über den Privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen (Sächsisches Privatrundfunkgesetz – SächsPRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.Januar 2001 (SächsGVBl. S.69, 684), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Juli 2014 (SächsGVBl. S. 374) geändert worden ist, wird wie folgt geändert. In §28 Abs. 1 Satz 2 wird nach Nummer 18 folgende Nummer 19 angefügt: „19. Förderung der nichtkommerziellen lokalen Rundfunkanbieter einschließlich Übernahme der Sende- und Leitungskosten.“ Die Entscheidung, den nichtkommerziellen Rundfunk zu finanzieren, begründet die Regierungskoalition aus SPD und CDU mit vergleichbaren Regelungen in anderen Bundesländern, in denen Bürgermedien durch die jeweiligen Medienanstalten seit langem gefördert werden. Die Regierungskoalition stellt fest: “Die Förderung der in Sachsen lizenzierten nichtkommerziellen Radiosender wird zur Pflichtaufgabe der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM). Damit wird die SLM verpflichtet, Radio Blau, Radio T und coloRadio mit einer auskömmlichen Finanzierung auszustatten.”

2. Baden-Württemberg: Verlängerung der NKL-Lizenzen (28.04.2015)

In Baden-Württemberg sollen die elf Nichtkommerziellen Lokalradiosender (NKL) auch weiterhin einen Beitrag zur Meinungsvielfalt und Medienkompetenz leisten. Der Vorstand und der Medienrat der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) haben am 28. April 2015 die Zuweisung für eine Verbreitung ihrer Programme über UKW bis zum Jahr 2025 verlängert. Die LFK begründet: „Die Hörfunksender arbeiten zumeist mit ehrenamtlichen Radiomachern und sind vorwiegend als Vereine organisiert. Laut Gesetz müssen die Sender den Zugang gesellschaftlicher Kräfte zum Rundfunk gewährleisten und so einen Beitrag zur Meinungsvielfalt leisten. In den NKLs werden unterschiedliche Themen aufgegriffen, von der Arbeitswelt über den Naturschutz bis hin zur Kultur. Die Musiktitel liegen jenseits des Mainstreams. Fremdsprachige Sendungen sind ebenfalls vertreten. Gerade auch für lokale Themen gibt es Sendeplätze, die auch interessierten Nicht-Mitgliedern der Sender offen stehen müssen. Bei der Zuweisungsentscheidung hat die LFK besonders diese Zugangsoffenheit in den Blick genommen und sie zum Teil mit Auflagen abgesichert. Für den Sendebetrieb, für Technik, Studio und eine Vielzahl von Radioprojekten erhalten die Nichtkommerziellen Sender von der baden-württembergischen Landesmedienanstalt eine jährliche Förderung von insgesamt 1.5 Millionen Euro.“ Nichtkommerzielle Lokalradios senden in Freiburg (Radio Dreyeckland), Freudenstadt (Freies Radio Freudenstadt), Karlsruhe (Querfunk) Mannheim / Heidelberg (bermuda.funk, radioaktiv), Schopfheim (Freies Radio Wiesental), Schwäbisch Hall (StHörfunk), Stuttgart (freies Radio für Stuttgart), Tübingen (Wüste Welle, Radio helle welle) und Ulm (Radio free.fm).

3. Schleswig-Holstein: Ausschreibung für Lokalen Hörfunk (27.04 2015)

Die am 1. Januar 2015 in Kraft getretene 5. Änderung des Medienstaatsvertrags Hamburg/Schleswig-Holstein lässt erstmals die Einführung von lokalem Hörfunk in Schleswig-Holstein zu. Das Gesetz sieht für mindestens drei Regionen die Verbreitung von nichtkommerziellem Lokalfunk vor. Auf Basis einer von der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein (MA HSH) erstellten Marktanalyse hat der Medienrat beschlossen, in fünf Regionen Übertragungskapazitäten für Lokalfunk auszuschreiben, wobei lediglich an drei Orten nichtkommerzielle Lokalradios (NKL) vorgesehen sind: in Rendsburg, Flensburg und Neumünster. Am 27. April 2015 veröffentlicht die MA HSH erste Ausschreibungsergebnisse. Um die kommerziellen Sendestandorte Sylt und Lübeck bewarben sich insgesamt acht Veranstalter. Für die Verbreitung von nichtkommerziellem lokalem Hörfunk gingen insgesamt drei Bewerbungen ein:

  • Freies Radio – Initiative Flensburg e.V. (Freies Lokalradio Flensburg)
  • Freies Radio Neumünster e.V. (Freies Radio Neumünster)
  • Verein für ein Freies Radio in Rendsburg und Umland e.V.i.G.

Nach Angaben der MA HSH sind Anhörungen der Bewerber ab Juni 2015 geplant.

Kritik am Gesetzentwurf:

  • Die Zulassung nichtkommerzieller Lokalradios ist an relevanten Standorten wie Lübeck und der Landeshauptstadt Kiel nicht vorgesehen.
  • Finanziert werden lediglich die Sendeleitungskosten, allerdings keine Grundkosten für Studio und Koordination.
  • Die redaktionelle Zusammenarbeit der NKLs untereinander wird eingeschränkt.
  • Verzichtet wird auf die Anerkennung der nichtkommerziellen Lokalradios als Bürgermedien.
  • Gefordert werden Nachbesserungen, siehe dazu: Bundesverband Freier Radios (BFR).

4. Thüringen: Zulassung lokaler Bürgerradios (24.03.2015)

Radio F.R.E.I. in Erfurt wird als erstes lokales, nichtkommerzielles Bürgerradio in Thüringen zugelassen. In ihrer Sitzung am 24. März 2015 fasste die Versammlung der Thüringischen Landesmedienanstalt (TLM) einstimmig den entsprechenden Beschluss, der Radio F.R.E.I. ab 1. Juni 2015 für vier Jahre ermöglicht, über die schon bisher vom Bürgerrundfunk genutzte Frequenz 96,2 MHz 24 Stunden am Tag lokales, nichtkommerzielles Bürgerradio zu senden. Die TLM begründet: „Bürgerradios haben die Aufgabe, lokale und regionale Informationen zu verbreiten, Medienbildung zu vermitteln, möglichst vielen Bürgern/innen einen chancengleichen Zugang zu gewährleisten und ihnen die Gelegenheit zu geben, eigene Beiträge herzustellen und zu verbreiten. Radio F.R.E.I. veranstaltet bereits seit 1999 auf den bislang zur Verfügung stehenden Sendeplätzen des Offenen Kanals Erfurt/Weimar sein nichtkommerzielles Lokalradio. In der Erfurter Medienlandschaft ist das Programm fest etabliert und erfüllt eine wichtige publizistische Ergänzungsfunktion neben den privaten und öffentlich-rechtlichen Radioprogrammen. Die Programmanalysen der TLM der letzten Jahre belegen, dass der Veranstalter stets den in den Lizenzen vorgeschriebenen Informationsanteil von 20 Prozent im Tagesprogramm (07.00 Uhr bis 20.00 Uhr) eingehalten hat und seine Hörer nicht nur mit lokalen Informationen, sondern auch mit einer Vielzahl von Sendungen und Beiträgen versorgt hat, für die in den landesweiten Formatradios kein Platz ist.“

5. Österreich: Das Freie Radio 1×1

Deutsches Medienrecht – wie fad. Ein schönes Beispiel, was Freie Radios leisten können, wenn sie medienrechtlich anerkannt und finanziert werden, kommt aus Österreich. Hier hat das Community Medien Institut für Weiterbildung, Forschung und Beratung (COMMIT) gerade ein Handbuch für Freie Radios herausgegeben: Das Freie Radio 1×1. Gedacht ist es als Begleitmaterial für Radioworkshops mit Themen zu Medienrecht, Journalismus, Sendungsgestaltung und Technik. Zudem gibt es einen umfangreichen Überblick zur Geschichte und Gegenwart Freier Radios in Österreich.