Das Jahr 2015: Freies Radio in Berlin Brandenburg

Was das Jahr 2015 für Freie Radios in Berlin-Brandenburg gebracht hat? Wir werden es im nächsten Jahr sehen. Versuchen wir es mit einer Zusammenfassung: 1. Mit Beginn des Jahres 2015 geht die AG Medien mit der Internetseite medienstaatsvertrag.org an den Start, um die Berlin-Brandendenburger Landesregierungen aufzufordern, Freien Radios einen angemessenen Zugang zum Rundfunk und eine Grundfinanzierung zu ermöglichen. Ca. 500 Bands, Vereine, Institutionen, Blogs etc., also mehrere tausend Menschen, unterstützen diesen Aufruf.

2. Ende Januar 2015 konstituiert sich ein neuer Medienrat der mabb unter Vorsitz von Prof. Dr. Hansjürgen Rosenbauer. Der Community-Radio-Bereich auf „88vier“ sowie Radio Slubfurt aus Frankfurt/Oder erinnern den Medienrat in einem Brief, dass die geltende „88vier“-Gesamtkonzeption nicht dazu geeignet ist, gemeinnützige Bürger – und Alternativmedien in Berlin-Brandenburg hinreichend zu fördern, letzteres aber dringend notwendig wäre.

3. Im Februar 2015 wird Pi Radio Mitglied im Weltverband der Community Radios AMARC (Association mondiale des radiodiffuseurs communautaires). Im August findet in Accra, der Hauptstadt Ghanas, der 11. AMARC-Kongress statt, auf dem Pi Radio als stimmberechtigtes Mitglied anwesend ist und zudem den Bundesverband Freier Radios vertritt. Die „Welt“ zeigt sich empört, dass Berlin-Brandenburg keine Freien Radios unterstützt.

4. Im Frühling 2015 erreichen uns vier erfreuliche Nachrichten für Freie Radios aus anderen Bundesländern: (1.) Sachsen ändert sein Mediengesetz, sodass nichtkommerzielle Lokalradios (NKL) zukünftig gefördert werden können. (2.) In Baden-Württemberg werden die elf NKL-Lizenzen und ihr jährlicher Etat von 1.5 Mio Euro verlängert. (3.) Schleswig-Holstein hat ein neues Mediengesetz und schreibt drei NKL-Lizenzen aus. (4.) In Thüringen wird das Erfurter Radio F.R.E.I. als eigenständiges lokales Bürgerradio anerkannt und mit einer Vollfrequenz bedacht.

5. Das erste Freie UKW-Radio in Frankfurt/Oder namens „Radio Bunter Hering“ begleitet das HanseStadtFest „Bunter Hering“ als Freies Veranstaltungsradio auf 91,7 MHz vom 10. bis 12. Juli 2015 in Frankfurt/Oder und Slubice. Es wird durchgeführt vom Freien (Internet-) Radio Slubfuert unter technischer Hilfe des Radiopiloten e.V. aus Berlin.

6. Die AG Medien stellt sechs Punkte zusammen, die für die Förderung nichtkommerzieller Lokalradios in Brandenburg sprechen, und lässt diese den zuständigen Brandenburger Medienpolitikern zukommen.

7. Am 8. Oktober 2015 wird das Freie Berliner Radio „Pi Radio“ 20 Jahre alt. Das Festprogramm wird live auf 88,4 MHz (Berlin), 90,7 MHz (Potsdam) und als Internetstream übertragen.

8. In der 70. Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses am 8. Oktober 2015 fordern die Fraktionen der SPD und CDU eine Modifizierung des Medienstaatsvertrages: Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg muss die Möglichkeit erhalten, Freie Radioveranstalter im Rahmen ihres Auftrags zur Förderung der kulturellen Vielfalt bei der Vergabe von UKW-Frequenzen zu berücksichtigen.

9. Ende Oktober fortert Pi Radio die mabb auf, bei einer geplanten Verlängerung der „88vier“-Erprobung ein nachhaltiges Konzept zur Förderung nichtkommerzieller Lokalradios (NKL) in Berlin-Brandenburg mitzuentwickeln, sowie eine erneute 88vier-Ausschreibung an den Kriterien für Community Media zu orientieren.

10. Anfang November veranstaltet der Bundesverband Freier Radios (BFR) zusammen mit Radio freeFM die Zukunftswerkstatt Community Media 2015 #zwcm2015 in Ulm. Die stimmberechtigten Mitglieder Pi Radio und Radio Slubfurt sind vor Ort, um über die Berlin-Brandenburger Situation zu berichten.

11. Der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) hat Dr. Anja Zimmer in seiner Sitzung am 25. November 2015 als Nachfolgerin Dr. Heges zur neuen Direktorin der mabb gewählt.

12. Am 14. Dezember 2015 beschließt der Medienrat der mabb die erneute Ausschreibung der bereits sechs Jahre andauernden „88vier“-Erprobung für 2016. Die Pi-Radio-Vorschläge vom 23. Oktober 2015 bleiben unberücksichtigt, die „88vier“-Ausschreibungskriterien unverändert.

Ausblick 2016

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg hat sich in ihr Projekt „88vier“ verliebt. Was im Jahr 2010 noch als Erprobung gedacht war, hat sich in ihren Augen etabliert. Community Media lässt sich auf „88vier nur unter erschwerten und limitierten Bedingungen durchführen. Die mabb beruft sich auf die fehlende Regelung im Medienstaatsvertrag Berlin-Brandenburgs, die es nicht erlaubt, NKL zu fördern. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat sich nun für eine solche Regelung im Medienstaatsvertrag ausgesprochen. Beschlossen werden kann dies allerdings nur mit Brandenburgs Zustimmung. Im Jahr 2016 wird deshalb die Brandenburger Landesregierung dazu Stellung beziehen. So paradox es klingt: das Land Brandenburg kann verhindern, dass sich im Land Berlin Community Media entwickelt. Welches Interesse sollte Brandenburg daran haben, dass in Berlin zukünftig Freie Radios gefördert werden dürfen? Andererseits: warum sollte es dagegen sein? Insofern wird es an der Berliner Regierung hängen, wie weit sie willens ist, die Brandenburger Regierung zu überzeugen.

Pressestimmen 2015